Reisen mit dem Flieger, Bus und einem Giga-Liner

Hallo hier auf unserem HP Chronicle – das Team am Berufsbildungswerk Volmarstein und ich ich freuen uns über die rege Aufmerksamkeit und gerne auch Teilhabe – ja, dieses Radsport-Saisonfinale 2018 war aus mehreren Gründen ein ganz Außergewöhnliches für mich – nach der so komplett anders als erwartet verlaufenden Paracycling Weltmeisterschaft in Maniago 2018 musste der Schalter auf „reset“ geschaltet werden – dank Grit Moschke, dank Robert Pawlowsky, dank meiner ParaSportSupport Heldin Ulrike und unglaublicher vieler motivierender Zuschriften, Telefonate, whattapps und Emails konnte ich recht schnell die Situation annehmen, mich für die anderen erfolgreichen Athleten freuen und wir richteten uns nochmals neu aus für eben die beiden letzten Rennen in meinem Wettkampfkalender 2018.

Die unglaubliche Anreise gehörte schon zu einem ganz speziellen Programm – insbesondere, wenn man bedankt, dass wir uns im Sport für Menschen mit Behinderungen bewegen – individuelle Anreise zum Flughafen Frankfurt/Main mit dem gesamten Radsportgepäck, dass bei mir als Dreiradsportler ja bekanntlich besonders umfangreich ausfällt.

Von dort 7 Stunden via Air Canada nach Montreal – 6 Zeitzonen zurück – dort das gesamte Gepäck gemeinsam im Paracycling Team Germany um Bundestrainer Patrick Kromer in Empfang nehmen, in einen Giga-Liner verpacken mit anderem Nationengepäck – von dort per Kleinbussen in Richtung „Grönland“ und kurz davor am herrlichen Sankt-Laurent-Strom liegt das idyllische Dorf Baie-Comeau – für uns ein kurzer Stopp in Quebec inklusive.

Dann hieß es gegen 17 Uhr Ortszeit zügig das Gepäck in Empfang nehmen, das Dreirad zur Zeitfahrmaschine umbauen und das erste lockere Training auf der Strecke vornehmen – eine großartige neu gestaltete Strecke – aber für uns Dreiradfahrer eine echte Herausforderung – eine aus meiner Sicht zu steile Abfahrt auf weniger gutem Beton gleich zu Anfang – dazu eine nach rechts hängende 90 Grad Kurve am Ende – dann ein sehr zackiger Kurs mit 17 Kurven und am Ende eben diese steile Abfahrt als Anstieg – sehr selektiv und eigentlich etwas zu schwer für unsere Klassifizierung.

Eine 90-Grad-Kurve – Angstgefühle beim Training

Danach etwas leckeres Essen in der gemeinsamen Mensa-Verpflegung der zur Verfügung gestellten Schule am Rande der Strecke – und ab in die Koje – fertig machen zum „freien Training“ am Mittwoch auf der abgesperrten Strecke.

„Mittwoch in Baie-Comeau – unsere Physiotherapeutinnen und mein Paracycling Team Germany Radsportkollege Matthias Schindler konnten bereits wunderbare Frühstückskomponenten dem Motel Angebot hinzufügen – sogar meine geliebte Ingwerwurzel für das Müsli lag auf dem Tisch – bereitete ich mich gemeinsam mit Dreiradkollegin Jana Majunke auf das erste freie Training vor.

90 Minuten Vorbelastung – so stand es wie immer vor dem Wettkampftag im Trainingsplan meines Erfolgstrainers Robert Pawlowsky – aber …

Schon beim „Beine ausradeln“ am Vorabend konnte ich die bislang nur im Profil erkenntliche Abfahrt in real sehen – sofort kam ein richtiges Angstgefühl in mir hoch.

Der Berg ist kurvig, der Belag grokörnig und mit Brüchen im Teer versetzt und am Ende ist eine nach rechts hängende 90-Grad-Kurve – ein no go für Dreirad-Fahrer.

Für das Einzelzeitfahren besprachen wir eine klare Kante – defenisiv nach unten und nach der Kurve erst wirklich ins Rennen einsteigen – safty first für mich.

So ging ich auch die Vorbelastung an, mehr als 61 km/h ließ ich nicht zu auf meinem SRM Trainingssteuerungsgerät PC8 aus Jülich.

Das war dann auch am Ende der Siegbringer für den Donnerstag – ich konnte nach der Kurve auf meinen Vorbau liegen, dank Komsport perfekt „gefittet“ mit meinem Sportdreirad – gerade die kleinen Wellen bereiteten mir schon während des Einzelzeitfahrrennens so viel Freude, dass ich sehr zuversichtlich die beiden letzten Geraden – die eine gegen den Wind – die Zielgerade mit 800 m mit dem Wind geniessen konnte – die mir zugerufenen Infos entlang der Strecke bestärkten dies.

Neue Taktik für die Angstbewältigung

So konnte ich nach der Enttäuschung während der WM in Maniago ein wirkliches Zeichen setzen – auch wenn der Zeitfahrspezialist und neue Doppelweltmeister Ryan Boyle selbst nicht am Start war – es tat meinem Selbstvertrauen sehr, sehr gut und es war ein gefahrener Dank an mein Team in Köln, in Dortmund und an alle Partner und Förderer, die mich so wunderbar begleiten.

Aber …..

Die Sorge um das Straßenrennen, mit dem Feld der Dreiradfahrer am Sonntag diese selektive Passage gesund zu meistern wuchs.

Nun kommt wieder meine Mentaltrainerin Grit Moschke vom Olympiastützpunkt Rheinland und Robert Pawlowsky ins Spiel.

Genau solche Klippen besprechen wir im Detail vor den Wettkämpfen – nun standen 2 Ansagen im Raum – vom Trainer die zuversichtliche Taktik – „HP – Du bist stark, es ist ein kurviger Kurs, geh das Rennen sofort mit einer intensiven Attacke an, überrasche die Jungs und mach Dein Ding – Du kannst es !!!“

In meinem Kopf die Sorge um die Abfahrt gleich 200 m nach dem Start – also noch keine Chance auf eine größere Lücke und im Ohr das Krachen, wenn Dreiradnaben der hinteren Laufräder aneinander fahren – dies aufzulösen war nun die Aufgabe.

Mit Grit Moschke entwickelten wir die Metapher „Angst macht Platz für neuen Mut“ – 2 Tage ohne Rennen reichten aus, um die neue Taktik – Angstbewältigung und die Taktik des Erfolgstrainers zu kombinieren und mental zu verfestigen.

Der Sonntag kam – ein wunderbarer Tag in Baie-Comeau – in der Morgensession schon sehr gute Erfolge meiner Zweiradkolleginnen und Zweiradkollegen – wir Dreiradfahrer in 4 Klassen waren ab 13:45 Uhr am Start.

Der Startschuss fiel, Durst fuhr sehr schnell an, und so schnell auch in die Abfahrt – ich zog ganz nach links an die Straßenseite -(da ich auf beiden Augen nach links fast den kompletten Sehfeldausfall habe, kann ich mich so besser auf die Kollegen konzentrieren) und bremste mich auf 55 km/h runter – alle Konkurrenten zogen zügig vorbei – sicher etwas überrascht, aber das war ja unser Ziel.

Nach der Kurve war ich am Hinterrad von Freund Steven Peace, der es aufgrund seiner einarmigen Fahrweise auch etwas langsamer angehen musste – zog an ihm vorbei – bot ihm Windschatten und wir fuhren gemeinsam zunächst zum Feldende, dann in einer kurzen Attacke zur enteilten 4-er-Spitze mit David Stone, Joan Reinoso Figuerol, Steven Hills und Craig McCann.

Durchhalten, auch wenn’s weh tut bis zum Ende des Anstiegs!

Ideal dazu war die lange Passage geradeaus über 1,4 Kilometer – im Anschluss eine gut zu fahrende rechts Kurve mit unmittelbar folgenden 2 kleinen Wellen – Attacke von mir – nächste Kurve – nach der Überraschungsschockstarre versuchten David Stone, Joan und Craig noch zu folgen – aber das hatten wir in unzähligen Antrittsserien, 20/40-Einheiten und langen Sprints perfekt trainiert – durch die eckige Streckenführung war ich schnell aus dem Sichtfeld und somit dem zusätzlichen Motivationsschub entschwunden – „durchhalten, auch wenn’s weh tut bis zum Ende des Anstiegs“ – die Worte meines Coaches im Ohr – oben am Berg stand Edelhelfer Hermann Frey und schrie laut – „Trittfrequenz finden und fahr“ – ein kurzer Blick zurück – kein Fahrer mehr zu sehen – ich richtete mich auf ein einsames Rennen ein – aber ich konnte eben mein Rennen und die 4 Abfahrten in meinem Tempo fahren.

Bei Start und Ziel stand Co-Trainer Jan Ratzke – selbst ein erfahrener Radsportler und zeigte 1:15 Minuten vorne – und da mir klar war, dass die Verfolger auch keine geregelte Nachführarbeit initieren würden – kam ein sooo cooles Gefühl der Zuversicht – der Stärke hoch – ich musste nun das Abrufen, was wir für solche Rennsituationen trainiert hatten – 101 RPM – gute Wattleistung ( zu viel wird nicht verraten 😉 ) und alle 3 Kilometer einen Schluck aus der FitLine Flasche trinken – beim Start der letzten Runde schrieen Bundestrainer Patrick Kromer und Jan Ratzke noch 2 Minuten vorn – in meinem Kopf flogen die Gedanken – es den Zweiflern, „Aufhör-Befürwortern“ nochmals zeigen zu können – das Material war perfekt, die unglaublichen Watt-Kräfte am Berg, die „unplattbar“- Reifen von DBS- Partner Familie Bohle und Schwalbe, die Motivationsfolien der Freunde aus Euskirchen von medienkraftwerk trieben mich nach vorne.

Jetzt die Leistung genießen …

Die 800 m Zielgerade konnte ich schon ein wenig geniessen – Sieg im Straßenrennen und der damit auch gesicherte UCI Gesamtweltcupsieg 2018 – ein versöhnliches Ende – jede Menge Nationenpunkte für unsere Deutsche Paralympische Mannschaft im Hinblick auf Startplätze bei der kommenden Paralympics in Tokio 2020 –

ein herzliches Vergelt`s Gott an das Team des Deutschen Behindertensportverbandes vor Ort und in Frechen – auch in für mich schwierigen Zeit nur mutmachende und aufbauende Worte und tolle Unterstützung –
herzlichen Dank meinen Partnern und Förderern, die mich so nachhaltig auf dem gemeinsamen Weg nach Tokyo 2020 begleiten und mich motivieren –
viele dicke „Bussis“ an meine ParaSportSupport Heldin Ulrike und meine gesamte Familie, meine Freunde und Mutmacher in Dortmund und sooo weit darüber hinaus –

und in tiefer Verbundenheit mit den Machern dieser Erfolge – dem Trainerteam am Olympiastützpunkt Rheinland und im Radsportverband NRW – gemeinsam stark – gemeinsam erfolgreich in der Faszination Dreiradsport.

Das Projekt „Konnichiwa 2020 – Machikirenai !!!“ – auf dem Weg zu „Goldenen Momenten“ in Tokio fest im Visier gemeinsam mit Schirmherr Oberbürgermeister Ullrich Sierau – aber nun auch den Moment, die Situation, das Geleistete geniessen – wunderbar regenerieren.

Ich freue mich hier im Urlaub auf die kommenden Aufgaben – gerne sehen wir uns am Dienstag auf der legendären Dortmunder Niere zur NRW Radsportmeisterschaft der Special Olympics ab 9 Uhr mit tollen Athleten und ab 17. September gerne gemeinsam mit Karl Grandt auf der Radtour „Inklusion braucht Aktion“ unterwegs von Dortmund nach Papenburg.

Save the date 17.9. 2018 – 9:45 Uhr in der Graf-Konrad-Grundschule in Dortmund Eving – ganz inklusiv und gleichwertig – herzlichen Dank der Schulleiterin Gabriele Zimmermann für diese freundliche Einladung an Projektleiter Karl Grandt und mich als Projektpaten – Vorfreude pur.“

Danke und Euch ein gutes WE , ein paar Bilder anbei – falls es Euch möglich ist, gerne noch zu einigen Aussagen die Internet-Adressen bei fügen und die Fotografin Sylvie Trudel erwähnen 😉

Euer

HP